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Schulfach Glück

Unterricht einmal ganz anders

Schulfach Glück

Die Deutschen sind einer weltweit durchgeführten Umfrage zufolge in 72 Prozent ihrer verfügbaren Zeit glücklich. Das ist im internationalen Vergleich ein leicht überdurchschnittlicher Wert. Man kann es allerdings auch anders ausdrücken: Es gibt noch jede Menge Luft nach oben. Das befand vor zehn Jahren schon der Schuldirektor Ernst Fritz-Schubert mit Blick auf seine Schülerinnen und Schüler. Die Jugendlichen litten auf-fallend oft unter zu hohem Erwartungsdruck, mangelnder Motivation und Schulangst. Das wollte er möglichst schnell ändern – Startschuss für ein Schulfach namens Glück.


Fritz-Schubert war bis zu seiner Pensionierung Oberstudiendirektor an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg. Um das Klima dort zu verbessern, entwickelte er mit einem Kompetenzteam ein vollkommen neues Schulfach. 2009 gründete er das inzwischen als gemeinnützig anerkannte Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung, das Weiterbildungen für Lehrer anbietet. Seine Arbeit trägt Früchte: inzwischen bieten über 130 Schulen – in Bielefeld, Minden, Darmstadt, Heppenheim und vielen weiteren Orten – das Schulfach Glück an. 


Das Selbst entdecken
Die Fachinhalte sind an den Schulen verschieden und unter anderem abhängig vom Alter der Schüler. Allerdings kehren bestimmte Elemente fast in jedem Klassenzimmer wieder. Meistens spielen Erkenntnisse der sogenannten Positiven Psychologie und Soziologie eine große Rolle, und praktische Übungen kommen nie zu kurz. 

Die Schüler sollen keineswegs anstreben, permanent im siebten Himmel zu sein, sondern Schritt für Schritt ein tieferes Bewusstsein entwickeln. Ein Ansatz dabei ist es, die Identitätsfindung der Jugendlichen so zu unterstützen, dass Kräfte freigesetzt werden. In einer Übung betreten die Schüler einen Klassenraum, der von Postkarten übersät ist. Alle Schüler wählen eine der Karten aus. Diese zeigen sie dann jeweils ihrem Nachbarn im anschließenden Sitzkreis. Deren Aufgabe ist es dann, auf der Grundlage des gewählten Motivs etwas Positives über den Charakter des Nachbarn zu formulieren. Wählt ein Mädchen eine Karte mit einem Baum, kann der Junge neben ihr z. B. sagen: »Du hast diese Postkarte aufgehoben, weil du tief verwurzelt bist und dich nicht bei jedem Windstoß aus der Fassung bringen lässt.« Die Schüler werden nach und nach dazu angeleitet, mögliche Sichtweisen auf ihr Selbst zu entdecken und miteinander in Einklang zu bringen.

Andere Einheiten fördern den Zugang zu mentaler Stärke und das konzentrierte Vorstellen realistischer Ziele, wobei ostasiatische Atemtechniken und die richtige Körperhaltung den Erfolg begünstigen. Wichtig ist daneben immer die Bewegung. Dass körperliche Aktivität einen günstigen Einfluss auf das Wohlbefinden hat, dass sich durch Sport außerdem Freundschaften schließen lassen, ist längst erwiesen. Im Konzept von Fritz-Schubert und seinem Team gelangt u. a. Tae-Bo, eine moderne Fitnessgymnastik, zum Einsatz. Neben dem Trainieren des Körperbewusstseins ist ein weiterer Schwerpunkt der bewusste Umgang mit Nahrungsmitteln, mit dem Höhepunkt einer gemeinsam geplanten und eingenommenen Mahlzeit. Das ökologisch sinnvolle Einkaufen ist bereits ein wichtiger Teil der Übung.


Ein Geheimrezept?

Die Rückmeldungen der Schüler, die immer auch zum Reflektieren ihrer Erlebnisse angeregt werden und Fortschritte in einem Heft dokumentieren, sind in vielen Fällen ermutigend. Ist das Schulfach Glück also ein Geheimrezept? Das wohl kaum. Selbst überzeugte Pädagogen warnen davor, Wunder zu erwarten. Bei Evaluationen erweisen sich gelegentlich Schüler ohne Glücksunterricht sogar als glücklicher. Andererseits geben Experten zu bedenken, dass Unterricht nicht mehr ausschließlich auf Wissensvermittlung basieren darf. Der chinesische Unternehmer Jack Ma sagte auf der eben zu Ende gegangenen Weltwirtschaftskonferenz in Davos: »Ändern wir nicht die Art unseres Unterrichts, werden wir in 30 Jahren große Probleme haben.« Neue Konzepte sind gefragt, vielleicht ist das Schulfach Glück auf Dauer eines davon.

Weitere Infos zum Thema auf den Seiten des Fritz-Schubert-Instituts.


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